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AutorenbildChristina

Eine Trauerfeier mit weißem Flügel: Die Kraft der Musik auf dem Friedhof Ohlsdorf




Heute führte mich mein Weg auf den Hamburger Friedhof Ohlsdorf, einen der größten und bekanntesten Friedhöfe der Welt. Ohlsdorf ist mehr als nur ein Ort der letzten Ruhe; es ist ein Ort des Gedenkens, des Nachdenkens und des Loslassens. Die parkähnliche Anlage, die sich über fast 400 Hektar erstreckt, ist durchzogen von sanft geschwungenen Wegen, prachtvollen Baumalleen und stillen Teichen – ein Ort, der zur Reflexion einlädt.


Inmitten dieser friedlichen Umgebung fand eine besonders ergreifende Trauerfeier statt. Die Kapelle, in der wir die Verstorbene verabschiedeten, war mit einem weißen Flügel geschmückt – ein Bild von schlichter Eleganz und symbolischer Bedeutung. Der Flügel, weiß wie die Urne der Verstorbenen, bildete das Herzstück der Zeremonie. Ein zartes, buntes Blumengesteck und goldene Kerzenständer rundeten das Ambiente ab und schufen eine Atmosphäre, die sowohl würdevoll als auch tröstlich war.


Die Bedeutung des weißen Flügels


Ein Flügel ist mehr als nur ein Instrument. In seiner schlichten Schönheit und seiner Klangfülle verkörpert er eine Art zeitlose Eleganz. Die Wahl eines weißen Flügels für diese Trauerfeier war von tiefer Symbolik durchzogen. Weiß, die Farbe der Reinheit und des Lichts, steht oft für Neuanfang und Unschuld. In Verbindung mit der Musik, die dieser Flügel erzeugte, wurde er zu einem Symbol für die Reinheit der Seele der Verstorbenen und den Übergang in eine andere, bessere Welt.


Zusammen mit meinem Pianisten hatte ich die Ehre, diese besondere Trauerfeier musikalisch zu begleiten. Zunächst war nur der Einsatz des Flügels geplant, doch während der Vorbereitungen wuchs der Wunsch, den Gesang in die Zeremonie einzubinden. So wurden schließlich vier wunderschöne Songs ausgewählt, die das Abschiednehmen begleiten sollten: „Ave Maria“, „Erinnerung“ aus dem Musical Cats, „Halleluja“ in einer deutschen Trauerversion und schließlich „Amazing Grace“.


Die Kraft der gesanglichen Begleitung


Musik hat die wunderbare Fähigkeit, das Unaussprechliche auszudrücken. Gerade in Zeiten der Trauer kann sie eine Brücke schlagen zwischen den Herzen der Menschen und den Erinnerungen an den Verstorbenen. „Ave Maria“, eines der bekanntesten und meistgeliebten Stücke, eröffnet oft solche Zeremonien. Es ist ein Gebet, das Schutz und Trost bietet, und seine Melodie berührt die Seele auf eine Weise, die Worte allein nicht vermögen.


„Erinnerung“ aus dem Musical Cats erzählt von der Sehnsucht nach vergangener Zeit und den bittersüßen Erinnerungen, die bleiben. Es war eine passende Wahl, um an die Verstorbenen als Mutter, Großmutter und Freundin zu erinnern – Rollen, die in den Herzen der Anwesenden weiterleben werden.


Das „Halleluja“, in einer deutschen Version für Trauerfeiern, brachte eine tiefgründige, spirituelle Dimension in die Feier. Es spricht von Schmerz und Verlust, aber auch von der Hoffnung auf Erlösung und Frieden. Der Schlussakkord wurde mit „Amazing Grace“ gesetzt, einem Lied, das in seiner Schlichtheit und Stärke Trost spendet und das Vertrauen in Gottes Gnade besingt.


Als ich die ersten Töne sang, spürte ich, wie sich die Emotionen im Raum verdichteten. Tränen flossen, und die Atmosphäre war von einer tiefen Traurigkeit, aber auch von einer Art geteiltem Frieden durchdrungen. Es war, als ob die Musik die Gefühle der Trauernden aufnahm, verstärkte und dann sanft wieder zurückgab, als würde sie ihnen helfen, die Last des Abschieds zu tragen.


Musik als letzte Ehre


Besonders der Moment, als die Gemeinde bei „Amazing Grace“ gemeinsam aufstand, war zutiefst bewegend. In dieser Geste des Respekts und des stillen Gedenkens lag eine starke Symbolkraft. Es war ein Moment des gemeinsamen Abschieds, ein kollektives Loslassen, während die vertrauten Klänge des Liedes den Raum erfüllten.


Zum Ende der Feier wurde die Urne unter den sanften Klängen eines instrumentalen „Amazing Grace“ hinausgetragen. Es war ein stiller, ehrfürchtiger Augenblick, in dem die Familie kurz inne hielt, bevor der Sohn die Urne auf den Friedhof trug. Der weiße Flügel, der Blumenschmuck, die Kerzen und die Musik verschmolzen zu einem Bild von schlichter, aber eindringlicher Schönheit.


Die Brücke der Musik


In Momenten wie diesen wird mir immer wieder bewusst, welche Kraft in der musikalischen Begleitung liegt. Sie schafft eine Brücke – nicht nur zwischen den Anwesenden und ihren Erinnerungen, sondern auch zwischen den Lebenden und den Verstorbenen. Musik hat die Fähigkeit, den Schmerz des Abschieds zu lindern und Trost zu spenden, indem sie Gefühle ausdrückt, die oft schwer in Worte zu fassen sind.


Diese Trauerfeier auf dem Friedhof Ohlsdorf war ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Musik und Ambiente Hand in Hand gehen können, um einen würdevollen und zugleich tief berührenden Abschied zu gestalten. Die Familie empfand es genauso, und es war mir eine Ehre, diesen Moment mit meiner Stimme und der Begleitung des weißen Flügels mitgestalten zu dürfen. Inmitten von Trauer und Abschied schuf die Musik einen Raum des Friedens und der Erinnerung – ein letztes, sanftes Lebewohl.

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