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AutorenbildChristina

A Cappella im Ruheforst Aukrug

Aktualisiert: 18. Juni

Inmitten des Ruheforsts Aukrug stand ich, von den ersten Sonnenstrahlen des Tages durchdrungen. Ein leichter Windhauch streichelte die Blätter der Bäume, als sei der Wald selbst ein stiller Trauergast. Die Atmosphäre war erfüllt von einer Melancholie, die nur durch die Schönheit der Natur gemildert wurde.


Vor mir versammelten sich die zwei Töchter und fünf Enkelkinder der Verstorbenen. Ein merkwürdiges Schweigen lag zwischen den Schwestern; die Spuren eines unausgesprochenen Streits waren fast greifbar. Doch heute waren sie hier, um ihrer Mutter und Großmutter die letzte Ehre zu erweisen.


Als ich das erste Wort von "Ave Maria" sang, hielt der Wald inne. Es fühlte sich an, als würde jeder Baum, jedes Blatt, mir zuhören. Ohne musikalische Begleitung, nur meine Stimme und die Stille des Waldes. In diesem Moment fühlte ich, wie die Worte den Raum zwischen den beiden Töchtern zu überbrücken schienen.


Ein herzergreifender Moment entstand, als meine Stimme die zweite Strophe erreichte. Für diese wenigen Sekunden waren alle Streitigkeiten, alle Konflikte, irrelevant. Es war, als würde die Musik die Herzen der Trauergäste öffnen und sie näher zusammenbringen.


Nach der letzten Note blieb meine Stimme noch in der Luft hängen, bevor sie sich mit dem Wind verlor. Ein kurzes, respektvolles Schweigen erfüllte den Wald, und dann brach der Applaus aus. Die Emotionen, die während des Liedes aufgebaut hatten, fanden so ihren Ausdruck; es war eine Erleichterung und Dankbarkeit, die man in den Augen der Anwesenden sehen konnte.


Streitigkeiten in der Familie können bei solchen Anlässen besonders kompliziert sein. Musik, besonders ein so mächtiges Stück wie das "Ave Maria", hat oft die Fähigkeit, Frieden zu stiften, wenn Worte versagen. Manchmal braucht es einen solchen, aus dem Herzen kommenden Moment, um uns daran zu erinnern, was wirklich wichtig ist: Liebe und Zusammenhalt.


Ich packte meine Noten ein, aber die Echos meiner Stimme schienen immer noch zwischen den Bäumen umherzuwandern, als wollte die Verstorbene uns allen ihre letzte Botschaft hinterlassen: Wir sind, trotz aller Differenzen, eine Familie. Und heute waren wir das, wenn auch nur für wenige, kostbare Minuten.



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